Wieder Chancen für Millionen Gas- und Stromkunden -Droht Energieversorgern neue Klagewelle?

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom vergangenen Donnerstag könnte erneut gravierende Folgen für die Energieversorger in Deutschland haben. In seinem Urteil entschied das Gericht, dass die in Deutschland geltenden gesetzlichen Bestimmungen über einseitige Preiserhöhungen in Energieverträgen das EU-Recht verletze (EuGH 23.10.2014 C-359/11, C-400/11).

Bereits im Jahr 2008 hatten wir im Namen eines Kunden des örtlichen Gasversorgers, gegen Preiserhöhungen geklagt und schließlich in letzter Instanz Recht bekommen. Am 17.12.2008 entschied der Bundesgerichtshof, dass die in dem damaligen Sondervertrag des Kunden enthaltenen Preisänderungsklausel unwirksam sei (Az.VIII ZR 274/06). Die Klausel war auch in den Vertragsbedingungen vieler anderer Energieversorger enthalten. Wegen der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel hatten darauf gestützte Preisanhebungen keinen Bestand. In der Folge führten wir zahlreiche Klageverfahren, in denen Erstattungsansprüche von Kunden wegen zu viel gezahlter Energiekosten durchgesetzt werden konnten (wir berichteten).

Die neue Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes betrifft nun die sogenannten Tarifkunden, also diejenigen die im Rahmen der Grundversorgung beliefert werden. Dies sind in Deutschland mehrere Millionen Haushalte.

Nach den Richtlinien der EU sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, geeignete Maßnahmen zum umfassenden Schutz der Energieverbraucher zu treffen. Neben dem bereits in der Gas- bzw. Stromgrundversorgungsverordnung (GasGVV/ StromGVV) verankerten Recht, sich bei einer Preiserhöhung, die durch den Versorger rechtzeitig mitzuteilen ist, durch eine Kündigung vom Vertrag zu lösen, muss den Kunden auch die Befugnis eingeräumt werden, gegen Änderungen der Lieferpreise vorzugehen. Ein Vorgehen gegen die Preise ist aber nur dann möglich, wenn die Kunden auch rechtzeitig vor einer Preiserhöhung umfassend über den Anlass, die Voraussetzungen und den Umfang der Erhöhung unterrichtet werden. Da die GasGVV/ StromGVV zwar eine Verpflichtung der Versorger zur Mitteilung der Preiserhöhung an sich, nicht aber auch eine Pflicht zur Information über den Grund der Erhöhung vorsieht, sind die entsprechenden Bestimmungen mit dem EU-Recht unvereinbar.

Da zahlreiche Preiserhöhungen der Versorger ohne entsprechende Begründung damit unwirksam sein dürften, könnten Millionen Kunden Erstattungsansprüche zustehen. Hierüber wird nun der Bundesgerichtshof noch zu entscheiden haben. Dringend zu empfehlen ist Verbrauchern, bereits jetzt vorsorglich Widerspruch gegen die letzten Jahresabrechnungen zu erheben. In den Sondervertragsfällen hatte der Bundesgerichtshof Erstattungsansprüche zuletzt abgelehnt, soweit Kunden den Preiserhöhungen nicht innerhalb von 3 Jahren nach Zugang einer Jahresabrechnung widersprochen hatten.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Norbert Häger
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